Hinsichtlich der konjunkturellen Entwicklung erwarten die Wirtschaftsinstitute für die zweite Hälfte des laufenden Kalenderjahres eine Rückkehr der österreichischen Volkswirtschaft auf einen zwar verhaltenen, aber stabilen Wachstumspfad. IHS, WIFO und IWF prognostizieren für das gesamte Jahr 2023 BIP-Wachstumsraten zwischen +0,3 % und +0,5 %. Die Inflationsrate dürfte mit Prognosebandbreiten zwischen +7,1 % bis +8,2 % nur langsam von ihrem hohen Niveau sinken. Für die Wirtschaft im Euroraum wird ein etwas stärkeres Wachstum von durchschnittlich +0,7 % erwartet.
Zahlreiche energiepolitische Maßnahmen und Verordnungen sowohl auf EU-Ebene als auch in Österreich befanden sich zum Ende des Berichtszeitraums in unterschiedlichen Diskussions- oder Gesetzwerdungsstadien. Beispielsweise hat die EU-Kommission am 14.03.2023 Vorschläge zur Reform des EU-Strommarktes vorgelegt, um den Ausbau erneuerbarer Energien ebenso wie den Ausstieg aus dem Energieträger Gas zu beschleunigen und die Verbraucher vor Preisschwankungen bei fossilen Brennstoffen und künftigen Preisspitzen zu schützen. Um verstärkt auf die Anforderungen der Praxis einzugehen, wird eine tiefgreifende Novellierung des österreichischen ElWOG diskutiert; diese soll zu einem Begutachtungsentwurf in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2022/2023 führen. Im Ministerrat am 10.05.23 wurde außerdem eine Verschärfung des Energiekrisenbeitragsgesetzes in Form einer Änderung des Schwellenwerts für die Abschöpfung und Umverteilung von Überschusserlösen beschlossen, welche bereits im Juni 2023 in Kraft treten soll. Auch detaillierte Regelungen zum Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom sowie parlamentarische Verhandlungen zum Energieeffizienz-Reformgesetz 2023, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz und das Strompreiskosten-Ausgleichsgesetz werden für das zweite Halbjahr des Geschäftsjahres 2022/2023 erwartet.
Aufgrund der zahlreichen unwägbaren geopolitischen, wirtschaftlichen und legistischen Einflussfaktoren bleiben die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Energie AG und die gesamte Branche hochgradig herausfordernd. Für das Preisniveau auf den internationalen Energiemärkten wird unter der Annahme weitgehend stabiler Rahmenbedingungen für die zweite Hälfte des Geschäftsjahres 2022/2023 eine Seitwärtsbewegung mit weiterhin hoher Volatilität erwartet.
Dank der vorausschauenden und langfristigen Beschaffungsstrategie ist die Energie AG in der Lage, trotz des herausfordernden Umfelds eine Senkung der Strompreise für Bestandskund:innen per 01.06.2023 vornehmen zu können. Darüber hinaus gilt mit dem Stromkostenzuschussgesetz weiterhin die allgemeine staatliche Strompreisbremse, welche zusätzlich Energiekosten abfedert. Die sichere Versorgungslage und der relativ milde Winter 2022/2023 haben zu einer Entspannung der Großhandelspreise für den Energieträger Gas geführt, daher kann die Energie AG ihren Gaskund:innen (Jahresverbrauch < 400.000 kWh) für den Zeitraum 01.06.2023 bis 31.05.2024 einen Rabatt von 20 % auf Standardprodukte gewähren. Vor dem Hintergrund der hohen Nachfrage nach Photovoltaiklösungen wird im zweiten Halbjahr des Geschäftsjahres 2022/2023 auch ein entsprechendes Produktangebot im vertrieblichen Fokus stehen. Im Bereich der Business- und Industriekunden werden in der zweiten Geschäftsjahreshälfte insbesondere die Anstrengungen in Richtung Digitalisierung und Optimierung von Prozessen verstärkt.
Im Geschäftsbereich Erzeugung liegt der Schwerpunkt in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2022/2023 auf dem Beginn einer neuen Ausbauoffensive für die Stromerzeugung aus Windkraft in Oberösterreich. So ist im Gebiet Kobernaußerwald eine Verfünffachung der Windkraftproduktion bis 2030 geplant. Im Fokus stehen dabei der Ausbau des bestehenden Windparks in Munderfing und die Erweiterung um acht bis zwölf neue Windkraftanlagen in der Region. Für das Projekt Pumpspeicherkraftwerk Ebensee wird ein Baubeschluss noch im Jahr 2023 angestrebt.
Für das Segment Netz sind die regulatorischen Rahmenbedingungen für das laufende Geschäftsjahr weiterhin als stabil einzuschätzen. Für die vierte Regulierungsperiode Gas sind die Parameter fixiert. Die detaillierte Kostenprüfung für die fünfte Regulierungsperiode Strom läuft. Auch die Gestaltung und der Ausbau erneuerbarer Energieformen bleiben für das Segment Netz weiterhin herausfordernd. Daneben werden die Weiterentwicklung der IT-Systeme sowie Zertifizierungen Arbeitsschwerpunkte im zweiten Halbjahr des Geschäftsjahres 2022/2023 sein.
Im Segment Entsorgung werden für die zweite Hälfte des Geschäftsjahres 2022/2023 für die Erbringung der klassischen Entsorgungsdienstleistungen grundsätzlich stabile Rahmenbedingungen erwartet. Andererseits ist auch in der zweiten Geschäftsjahreshälfte mit weiteren, inflationsbedingten Kostensteigerungen zu rechnen. Für den Wertstoff Papier wird mit einer leichten Erholung des niedrigen Preisniveaus des ersten Halbjahres gerechnet. Im Rahmen der Fernwärmeausbindung für die Stadt Wels werden die gewonnenen Erfahrungen der ersten Geschäftsjahreshälfte dazu genutzt, weitere Optimierungen durchzuführen und weiterhin eine reibungslose Fernwärmeversorgung gewährleisten zu können.
Trotz des von der tschechischen Regierung ab 01.01.2023 beschlossenen Preisdeckels für Strom und Gas spielen die hohen Energiekosten für das Segment Tschechien auch in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2022/2023 eine wichtige Rolle. Die kostenseitig einschneidende Situation auf dem Strom- und Gasmarkt wird weiterhin genauestens beobachtet, zumal das nach wie vor hohe Preisniveau Lieferanten, Betreiber und Kund:innen stark unter Druck bringt. Die Weiterentwicklung von Energieeffizienzprojekten für die Wärme- und Wasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung wird weiter vorangetrieben. Für die für Gemeinden und Städte erbrachten Dienstleistungen wird im zweiten Halbjahr 2022/2023 eine positive Entwicklung erwartet.
Im Geschäftsfeld Telekom liegt der Schwerpunkt in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2022/2023 neben der weiteren Prozessoptimierung in der Umsetzung der beiden beschriebenen strategischen Stoßrichtungen „Wholesale-Offensive“ und „Wertangebote“.
Eine zuverlässige Versorgung der Kund:innen der Energie AG in der weiterhin fragilen geopolitischen und energiewirtschaftlichen Situation steht neben den bestehenden strategischen Zielen wie beispielsweise der Sicherstellung der finanziellen Stabilität des Konzerns auch im zweiten Halbjahr des Geschäftsjahres 2022/2023 im Mittelpunkt. Daneben wird die Weiterentwicklung des Konzerns im Zuge des in der ersten Geschäftsjahreshälfte initiierten konzernweiten Strategie- und Organisationsprojektes im Fokus stehen.
Vor dem Hintergrund der andauernden konjunkturellen und marktwirtschaftlichen Unwägbarkeiten erwartet die Energie AG unter Annahme einer zumindest weitgehend stabilen Umfeldentwicklung für das Geschäftsjahr 2022/2023 ein operatives Ergebnis über dem Niveau des Vorjahres.
Linz, am 30. Mai 2023
Der Vorstand der Energie AG Oberösterreich
Dr. Leonhard Schitter
CEO
Dr. Andreas Kolar
CFO
Dipl.-Ing. Stefan Stallinger MBA
COO