Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen 1)Quellen: IWF (Internationaler Währungsfonds): World Economic Outlook, October 2020. IHS (Institut für Höhere Studien): Prognose der österreichischen Wirtschaft, 09.10.2020. WIFO (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung): Konjunkturprognose 09.10.2020 und Wirtschaftsdaten, URL: www.energieag.at/2020-110, 20.10.2020.
Das Geschäftsjahr 2019/2020 (01.10.2019 bis 30.09.2020) der Energie AG Oberösterreich (Energie AG) war nach einer in der ersten Hälfte noch moderaten Wirtschaftsentwicklung im zweiten Halbjahr von der weltweiten COVID-19-Pandemie und, damit verbunden, einem markanten Einbruch des Wirtschaftswachstums geprägt. Weitere geopolitische Unsicherheiten, wie internationale Handelskonflikte und Krisenherde, der Brexit oder der Klimawandel, traten angesichts der COVID-19-Pandemie in den Hintergrund, werden jedoch auch zukünftig das konjunkturelle Umfeld beeinflussen. Die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der COVID-19-Krise erlaubt den Wirtschaftsforschungsinstituten nur begrenzt belastbare Prognosen über das Ausmaß des wirtschaftlichen Abschwungs sowie die Geschwindigkeit der danach erwarteten Erholung.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) konnte mit dem World Economic Outlook im Oktober 2020 seine Prognosen von April und Juni leicht anheben und erwartet für das Jahr 2020 einen Rückgang der Weltwirtschaftsleistung von -4,4 %. Die im Vergleich zum Frühjahr leicht optimistischere Einschätzung stützt sich vor allem auf die umfangreichen Konjunkturhilfen und die geldpolitische Unterstützung in den großen Volkswirtschaften. Für 2021 erwarten die Konjunkturexperten wieder ein weltweites Wachstum von +5,2 %.
Für den Euroraum prognostiziert der IWF für 2020 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von -8,3 % (2019: +1,3 %). Für 2021 hingegen rechnen die Experten des IWF mit einer Erholung bei einem zu erwartenden Wirtschaftswachstum von +5,2 %.
Während die österreichische Wirtschaft im Jahr 2019 mit +1,4 % ein moderates Wachstum aufgewiesen hatte, korrigierten die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen für 2020, welche vor der Pandemie bei +1,2 % bzw. +1,3 % gelegen waren, im Lauf des Berichtszeitraums massiv nach unten. Für 2020 rechneten das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) sowie der IWF in ihren Prognosen von Anfang Oktober mit einer rückläufigen Wirtschaftsleistung von -6,7 % bis -6,8 %. Für das Kalenderjahr 2021 gingen sie hingegen von einer positiven Wirtschaftsdynamik in der Bandbreite von +4,4 % bis +4,7 % aus. Ein neuerlicher großflächiger Lockdown wird die genannten Werte um voraussichtlich -2,5 bzw. -4,0 Prozentpunkte senken. Die Annahme für die Inflationsrate liegt für 2020 bei durchschnittlich +1,4 % (2019: +1,5 %).
Für den für die Energie AG ebenfalls relevanten Markt Tschechien wird für das Kalenderjahr 2020 ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zwischen -6,2 und -7,5 % (2019: +2,4 %) prognostiziert, während für 2021 eine deutliche Erholung in Höhe von +5,0 % erwartet wird. Weitere Korrekturen nach unten aufgrund der sich verschärfenden COVID-19-Siutation in den letzten Monaten des Kalenderjahres 2020 sind auch für Tschechien realistisch.
Energie- und klimapolitisches Umfeld
Die Europäische Kommission veröffentlichte am 11.12.2019 den „Green Deal“, welcher als zentrales Ziel eine EU-weit verbindliche Klimaneutralität bis 2050 vorsieht. Am 16.09.2020 verkündete die Kommission diesbezüglich, das Treibhausgasreduktionsziel der EU bis 2030 im Vergleich zu 1990 von bislang 40 % auf mindestens 55 % zu erhöhen. Ergänzend kündigte die Kommission die Anhebung der Zielvorgabe für den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch bis 2030 von derzeit 32 % auf ca. 38,5 % sowie die Erhöhung des Energieeffizienzziels bis 2030 von bislang 32,5 % auf rund 36 % an. Flankierend ist die Verdopplung der Gebäudesanierungsrate auf 2 %, die Reduktion des CO2-Ausstoßes von Neuwagen um 50 %, eine Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems auf den Gebäude- und Verkehrssektor sowie die Verschärfung der Obergrenze für Gesamtemissionen vorgesehen. Die Kommission wird bis Juni 2021 konkrete Legislativvorschläge zur Umsetzung der Erneuerbaren- und Effizienz-Ziele vorlegen. Für Österreich wird sich dadurch in den nächsten Jahren ein deutlich höheres Ambitionsniveau der Energie- und Klimaziele bis 2030 ergeben.
Am 11.03.2020 legte die Europäische Kommission einen neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vor. Der neue Aktionsplan umfasst legislative und nichtlegislative Maßnahmen, die sich über den gesamten Lebenszyklus von Produkten erstrecken. Alle Maßnahmen des Aktionsplans sollen dazu beitragen, den CO2-Fußabdruck und den Materialfußabdruck der EU zu verringern.
Das Kohleausstiegsgesetz, welches eine Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung in Deutschland vorsieht, ist am 14.08.2020 in Kraft getreten. In Kombination mit dem Nuklearausstieg bis 2022 gehen bis spätestens 2038 rund 48 GW Kraftwerkskapazitäten vom Netz. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Kohleausstieg in Deutschland auch signifikant auf den österreichischen Strommarkt und dessen Preise auswirken wird.
Ab 2021 wird die deutsche Bundesregierung eine nationale CO2-Bepreisung für die Sektoren Wärme und Verkehr einführen. Die Einnahmen werden zum Teil zur Entlastung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und der Fernpendler herangezogen. Eine Doppelbelastung für Industrieanlagen, die bereits Teil des europäischen Emissionshandels sind, wird ebenso ausgeschlossen.
Fristgerecht wurde von der österreichischen Übergangsregierung der EU-Kommission mit Ende 2019 ein überarbeiteter integrierter nationaler Energie- und Klimaplan 2030 übermittelt, welcher die Empfehlungen der Kommission berücksichtigt. Neben der Reduktion der Treibhausgase sind der massive Ausbau der erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und eine Verringerung der Importabhängigkeit von fossiler Energie Ziele des Plans. Eine Mitteilung der Kommission vom 17.09.2020 über eine EU-weite Bewertung der nationalen Energie- und Klimapläne kam zu dem Ergebnis, dass bis 2030 die gegenwärtigen EU-Zielvorgaben für die Treibhausgasemissionsreduktion und den Anteil erneuerbarer Energien erreicht werden, jedoch im Bereich Energieeffizienz eine Ambitionslücke besteht.
Die erste türkis-grüne Bundesregierung hat am 02.01.2020 ihr Regierungsprogramm 2020 – 2024 für Österreich aufgelegt. Sowohl ein verschärfter nationaler Energie- und Klimaplan als auch ein neues Klimaschutzgesetz sowie eine ökosoziale Steuerreform sollen zur Erreichung der Klimaneutralität bereits bis zum Jahr 2040 beitragen. Auch auf die Verbrennung von Heizöl, Kohle und fossilem Gas für Raumwärme und Warmwasseraufbereitung im Gebäudebereich muss zukünftig verzichtet werden. Für Kohle und Öl beginnt das Phase-out im Neubau ab 2020 und soll bis spätestens 2035 für alle Kessel abgeschlossen sein. Beim Ökostromausbau wird das sehr ehrgeizige bilanzielle 100-%-Erneuerbaren-Ausbauziel (gemessen am österreichischen Stromverbrauch) bis 2030 vorgesehen.
Am 16.09.2020 wurde nach langwierigen Verhandlungen der Entwurf des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespakets in Begutachtung geschickt. Das umfassende Gesetzespaket sieht einen massiven Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen in Österreich vor und führt durch Implementierung neuer Marktakteure wie beispielsweise von „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften“ zu mehr Wettbewerb und verstärkt den Trend der dezentralen Energieversorgung. Bis 2030 soll mit einem sukzessiven Ausbau ein Zuwachs an installierter Leistung von rund 17.000 MW erreicht werden und damit im Jahr 2030 zusätzlich rund 27 TWh erneuerbarer Strom – das entspricht knapp 50 % der gegenwärtigen Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen – erzeugt werden. Darüber hinaus finden sich im Begutachtungsentwurf zahlreiche weitere Regelungen, beispielsweise für einen vereinfachten Netzzugang für kleine erneuerbare Erzeugungsanlagen sowie neue Transparenzerfordernisse für Netzbetreiber. Ebenso wurden Bestimmungen zur Netzreserve aufgenommen bzw. finden sich Regelungen, welche die Tarif-Doppelbelastung von neu errichteten Pumpspeicher-Kraftwerken beenden und Verfahrensvereinfachungen im Starkstromwegerecht vorsehen. Im Zuge der Begutachtungsphase brachten nationale Expertengruppen und Branchenverbände Klarstellungen und Anpassungserfordernisse zu einzelnen Themenbereichen in den Diskussionsprozess ein.