Interview mit dem Vorstand der Energie AG Oberösterreich
Dipl.-Ing. Alexander Kirchner MBA Mitglied des Vorstands CTO
Dr. Leonhard Schitter MA Vorsitzender des Vorstands CEO
Dr. Andreas Kolar Mitglied des Vorstands CFO
Videostatements der Vorstandsmitglieder finden Sie im Online-Bericht:
www.energieag.at/geschaeftsbericht
Wie begegnet die Energie AG Oberösterreich den Herausforderungen globaler Energie- und Klimapolitiken, um ihre Position als Vorreiterin der Energiewende zu stärken? Welche Fortschritte wurden mit der Strategie LOOP auf dem Weg zur Klimaneutralität bereits erzielt?
Leonhard Schitter: Die Strategie LOOP bildet das Herzstück unserer Transformation zur Klimaneutralität und stellt die Weichen für eine nachhaltige Zukunft der Energie AG Oberösterreich. Mit LOOP verfolgen wir das Ziel, den gesamten Energiezyklus – von der Erzeugung über die Verteilung bis hin zur Verwertung – konsequent zu dekarbonisieren. Dabei setzen wir gezielte Maßnahmen um, die sowohl den gesetzlichen Anforderungen als auch den steigenden Erwartungen unserer Kundinnen und Kunden gerecht werden.
Im Geschäftsjahr 2023/2024 haben wir entscheidende Fortschritte erzielt: Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Wasserkraft, wurde deutlich gesteigert. Ein Leuchtturmprojekt ist das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee, das nicht nur die Versorgungssicherheit stärkt, sondern auch als wichtiger Baustein für die Speicherung erneuerbarer Energien dient. Zudem treiben wir die Dekarbonisierung mit Projekten, wie der Errichtung der größten Agri-PV-Anlage Oberösterreichs in Pischelsdorf sowie unserer Beteiligung an Wind- und PV-Entwicklungen in Slowenien, voran.
Ein zentrales Anliegen ist dabei auch die Weiterentwicklung unserer Infrastruktur, um den Anforderungen der Energiewende gerecht zu werden. Mit Investitionen in den Ausbau und die Ertüchtigung unseres Stromnetzes sichern wir die zuverlässige Integration von dezentralen erneuerbaren Energiequellen und schaffen die Grundlage für zukünftige Technologien wie Wasserstoffnutzung und Elektromobilität.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Innovation und Digitalisierung. Mit der Einführung eines konzernweiten Innovationsmanagements und der Optimierung und Automatisierung von Kundenprozessen, etwa durch den Einsatz von Voicebot-Lösungen für eine bessere Erreichbarkeit im Kundenservice, steigern wir unsere Effizienz und passen uns den Herausforderungen eines volatilen Energiemarktes an. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, unsere Klimaziele zu erreichen, und stärken auch unsere Position als Vorreiterin der Energiewende.
„Die Strategie LOOP bildet das Herzstück unserer Transformation zur Klimaneutralität und stellt die Weichen für eine nachhaltige Zukunft der Energie AG Oberösterreich. Dabei setzen wir gezielte Maßnahmen um, die sowohl den gesetzlichen Anforderungen als auch den steigenden Erwartungen unserer Kundinnen und Kunden gerecht werden. Unsere Innovationskraft, die Digitalisierung sowie eine Unternehmenskultur, die Wandel und Agilität fördert, sind der Schlüssel, um die Herausforderungen von heute in Chancen für eine nachhaltige Zukunft von morgen zu verwandeln.“
Wie stellt die Energie AG Oberösterreich sicher, dass die ambitionierten Investitionsprogramme zur Dekarbonisierung und zum Netzausbau mit einem nachhaltigen finanzwirtschaftlichen Fundament vereinbar sind?
Andreas Kolar: Der notwendige Wandel in Richtung der Entwicklung eines nachhaltigen Energiesystems stellt eine einschneidende Veränderung dar, die insbesondere Energieversorger vor massive ökonomische und technische Herausforderungen stellt. Der signifikante Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung in den Bereichen Wasser, Sonne und Wind sowie jener der Stromnetze bilden wesentliche Kernelemente der strategischen Ausrichtung der Energie AG Oberösterreich.
Des Weiteren wird der Fokus auf Speicherkapazitäten gelegt. Die Errichtung des Pumpspeicherkraftwerks in Ebensee wurde 2023 begonnen und stellt das größte Einzelinvestment in der langen Geschichte der Energie AG Oberösterreich dar.
Der bereits begonnene Transformationsprozess wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten enorme Kosten verursachen. Auch die Energie AG Oberösterreich hat in den Vorschauen für die nächsten Budgetperioden substanzielle Ausweitungen der Investitionen in vor allem nachhaltige Energieerzeugung und den Ausbau der notwendigen Netzinfrastruktur geplant.
Diese ambitionierten Investitionsprogramme können aus der Innenfinanzierungskraft des Konzerns alleine nicht bewältigt werden, sondern erfordern nationale und auch internationale Kredit- und Kapitalgeber. Die Energie AG Oberösterreich verfolgt seit vielen Jahren eine konservative und vorausschauende Finanzstrategie, um für die Kapitalgeber ein attraktiver und auch stabiler langfristiger Partner sein zu können. Voraussetzung dafür ist, dass die Energie AG Oberösterreich die Rentabilität und Werthaltigkeit der einzelnen Investitionsprojekte sicherstellt. Dazu führt die Energie AG umfangreiche Projektbewertungen und Risikoanalysen durch, die sowohl finanzielle als auch technische und ökologische Risiken betrachten.
Aus Konzernsicht wird die Verschuldungsfähigkeit im Rahmen der langjährigen Budgets geplant und laufend analysiert. Neben der Sicherstellung der strukturellen Liquidität wird der nachhaltigen Absicherung der finanzwirtschaftlichen Stabilität und Bonität besonderes Augenmerk geschenkt. Dies wird auch von der externen Rating-Agentur ‘Standard & Poor’s Global Ratings’ gewürdigt, die bereits seit vielen Jahren den Konzern mit einem starken Investment Grade Rating bewertet.
Stabile wirtschaftliche Ergebnisse und die Möglichkeit Gewinne für zukünftige Investitionen zu thesaurieren, sowie die kontinuierliche Aufrechterhaltung einer soliden Finanzstruktur sind grundlegende Voraussetzungen, um die Investitionen zur Umsetzung der Energiewende zu finanzieren.
„Die europäische Taxonomie-Verordnung legt Anforderungen an die Reduktion von CO2-Emissionen und die Förderung erneuerbarer Energien fest. Sie gibt nicht nur vor, welche wirtschaftlichen Aktivitäten einen signifikanten Beitrag zu einem der definierten Umweltziele leisten, sondern fordert Unternehmen auch dazu auf, ihre Investitionen und Geschäftsstrategien entsprechend auszurichten. Die Energie AG Oberösterreich hat mit ihrer LOOP-Strategie vor zwei Jahren genau dies noch intensiver in Angriff genommen. Es ist strategisches Ziel der Energie AG, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und die Energieproduktion nachhaltiger zu gestalten.“
Welche technologischen Entwicklungen sind aus Ihrer Sicht entscheidend, um die Energiewende voranzutreiben, und wie stellt die Energie AG Oberösterreich sicher, dass diese bestmöglich in bestehende Strukturen integriert werden?
Alexander Kirchner: Entscheidende technologische Entwicklungen für die Energiewende umfassen den Ausbau von erneuerbaren Energien wie Wind-, Sonnen- und Wasserkraft, die Weiterentwicklung von Wasserstofftechnologien sowie die Implementierung innovativer Speicherlösungen. Wasserstoff gilt als vielseitiger Energieträger der Zukunft, insbesondere zur Dekarbonisierung industrieller Prozesse und für flexible Anwendungen im Energiesystem. Ebenso spielen Technologien zur effizienten Nutzung und Speicherung von erneuerbaren Energien eine Schlüsselrolle, um Schwankungen bei der Energieproduktion auszugleichen und eine stabile Versorgung sicherzustellen. Ein herausragendes Beispiel und Leuchtturmprojekt der Energie AG Oberösterreich ist die Errichtung des Pumpspeicherkraftwerks Ebensee. Dieses moderne Kraftwerk fungiert als ‚grüne Batterie‘, die bei Bedarf erneuerbare Energie ins Netz einspeist und somit zur Stabilisierung des Stromnetzes beiträgt.
Die Energie AG Oberösterreich verfolgt eine schrittweise und durchdachte Integration dieser Technologien in die bestehenden Infrastrukturen. Dies wird durch gezielte Investitionen in die Modernisierung der Netze, den Aufbau intelligenter Systeme wie Smart Grids und die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen sowie innovativen Partnern aus der Industrie vorangetrieben. Ein besonders wegweisendes Projekt ist Underground Sun Storage, eine Kooperation mit RAG Austria AG, bei der die Produktion und Speicherung von grünem Wasserstoff erprobt wird. Solche Pilotprojekte und Testfelder ermöglichen nicht nur die praktische Umsetzung innovativer Technologien, sondern liefern auch wertvolle Erkenntnisse für deren breite Anwendung.
„Die Energie AG Oberösterreich gestaltet die klimaneutrale Zukunft aktiv als verlässlicher Partner für Industrie, Unternehmen und Haushalte. Mit dem Ausbau der Produktion, Netze und Speicher treiben wir die Energiewende voran und forcieren schrittweise die Dekarbonisierung unserer Bestandsanlagen. Dabei setzen wir auf Innovation und Kooperationen, um eine nachhaltige Energieversorgung zu sichern. Als Dekarbonisierungspartner schaffen wir Lösungen für unsere Kundinnen und Kunden, die weit über unsere Region hinaus wirken, und gestalten die Energiezukunft für kommende Generationen.“
Wie beeinflussen die europäischen Taxonomie-Vorgaben die Investitionspläne der Energie AG?
Andreas Kolar: Die Vorgaben der Taxonomie-Verordnung bieten eine klare Orientierung für nachhaltige Investitionen und schaffen finanzielle Anreize. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass Investitionen, die mit der EU-Taxonomie übereinstimmen, als nachhaltig und umweltfreundlich gelten. Das beeinflusst nicht nur die Entscheidungen über zukünftige Projekte, sondern auch die Art und Weise, wie Investoren und Stakeholder die Projekte bewerten.
Die Taxonomie-Verordnung legt Anforderungen an die Reduktion von CO2-Emissionen und die Förderung erneuerbarer Energien fest. Sie gibt nicht nur vor, welche wirtschaftlichen Aktivitäten einen signifikanten Beitrag zu einem der sechs definierten Umweltziele leisten, sondern fordert Unternehmen auch dazu auf, ihre Investitionen und Geschäftsstrategien entsprechend auszurichten.
Die Energie AG Oberösterreich hat mit ihrer LOOP-Strategie vor zwei Jahren genau dies noch intensiver in Angriff genommen. Bei der Auswahl und Priorisierung von Projekten werden neben den wirtschaftlichen Anforderungen verstärkt auch Umwelt- und Klimaschutzaspekte berücksichtigt. Es ist strategisches Ziel der Energie AG, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und die Energieproduktion nachhaltiger zu gestalten.
Des Weiteren werden Investitionen in nachhaltige Infrastrukturen, die den Kriterien der Taxonomie entsprechen, bevorzugt. Dazu zählt die Modernisierung von Stromnetzen zur Integration erneuerbarer Energien oder die Beschäftigung mit neuen Technologien, wie etwa der Wasserstoffproduktion oder großen Batteriespeichern.
Um Vertrauen in die nachhaltigen Finanzmärkte zu fördern und sicherzustellen, dass Investoren, Unternehmen und Stakeholder die Umwelt- und Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen und Projekten richtig verstehen, spielt transparente Kommunikation eine entscheidende Rolle. Die durchaus aufwändigen diesbezüglichen Offenlegungs- und Berichtpflichten bringen jedoch auch eine erhöhte Bürokratie und detaillierte Dokumentationspflichten für die Unternehmen mit sich.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die europäischen Taxonomie-Vorgaben eine klare und strukturierte Grundlage für die Priorisierung von Investitionsprojekten bei der Energie AG darstellen. Sie fördern nachhaltige Investitionen und unterstützen die Kommunikation über die Nachhaltigkeit der Unternehmensaktivitäten auf transparente und nachvollziehbare Weise.
Mit Blick auf die Integration neuer Technologien: Welche Rolle spielen digitale Transformation und Sektorkopplung für die Optimierung der Energieversorgung und den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien?
Alexander Kirchner: Die digitale Transformation und Sektorkopplung sind zentrale Bausteine für die Optimierung der Energieversorgung und die nachhaltige Integration erneuerbarer Energien. Digitale Technologien wie Big Data, Künstliche Intelligenz (KI) und automatisierte Systeme ermöglichen eine präzise Analyse und Steuerung komplexer Energiesysteme. Diese Technologien verbessern die Effizienz in der Netzinfrastruktur, optimieren den Betrieb erneuerbarer Energien und schaffen intelligente Lösungen für Energieverbraucher. Ein wichtiger Schritt in diesem Bereich ist die zunehmende Ausrollung von Smart Metern, die in Oberösterreich bereits seit 2020 mit 99,8 Prozent Ausrollquote in fast allen Kundenanlagen zur Verfügung stehen. Mit diesen haben unsere Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, Verbrauchsdaten in Echtzeit zu erfassen und zu analysieren, um eine bessere Abstimmung zwischen Energieerzeugung und Nutzung erreichen zu können.
Die Sektorkopplung verbindet Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor zu einem integrierten Energiesystem. Dadurch können erneuerbare Energien effektiver genutzt und flexibel auf verschiedene Anwendungen verteilt werden. Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie ist die thermische Abfallverwertungsanlage in Wels, die eine zentrale Rolle bei der Wärme- und Energieversorgung der Stadt Wels spielt und maßgeblich zur Dekarbonisierung der urbanen Versorgung beiträgt. Ebenso treibt die Energie AG Oberösterreich mit Projekten wie der Agri-Photovoltaikanlage in Pischelsdorf innovative Lösungen voran, die landwirtschaftliche Flächen für die nachhaltige Energieerzeugung erschließen und den Ausbau weiter fördern. Ziel ist es, eine ganzheitliche, nachhaltige Energieversorgung zu schaffen, die nicht nur effizient ist, sondern auch eine hohe Versorgungssicherheit bietet und langfristig zur Dekarbonisierung beiträgt.
Wie fördert die Energie AG Oberösterreich durch ihre Unternehmenskultur und gezielte Initiativen eine nachhaltige Veränderungsbereitschaft und Mitarbeiter:innenbindung, um langfristig als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen zu werden?
Leonhard Schitter: Unsere Unternehmenskultur ist der Schlüssel, um Wandel aktiv zu gestalten und unsere Mitarbeiter:innen auf diesem Weg mitzunehmen. Mit unserem „Kulturkompass“ setzen wir klare Akzente, um eine offene und partizipative Arbeitsumgebung zu schaffen, die Veränderung nicht nur ermöglicht, sondern aktiv vorantreibt. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt auf dem Thema Agilität: Wir haben intern agile Coaches ausgebildet, um in allen Bereichen eine flexible und zukunftsorientierte Arbeitsweise zu etablieren.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ebenso ein zentrales Anliegen der Energie AG. Flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice-Möglichkeiten und gezielte Unterstützungsangebote sorgen dafür, dass die individuellen Bedürfnisse unserer Mitarbeiter:innen berücksichtigt werden. Gleichzeitig fördern wir die persönliche und berufliche Weiterentwicklung durch Weiterbildungsangebote und ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement.
Zudem schaffen wir mit Initiativen, wie unserem Innovationsboard, Raum für bereichsübergreifenden Austausch und Ideengenerierung, was die Innovationskraft unserer Organisation stärkt. Diese gezielten Maßnahmen fördern nicht nur die Mitarbeiter:innenzufriedenheit und -bindung, sondern machen die Energie AG Oberösterreich auch langfristig zu einer attraktiven Arbeitgeberin, die die Herausforderungen der Energiewende aktiv gestaltet. Denn unsere Mitarbeiter:innen sind nicht nur ein integraler Bestandteil unserer Strategie, sondern auch unser wichtigster Erfolgsfaktor auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft.